Oder: Wie offen sich ein AfD-Ratsherr seinen antidemokratischen und rechtsradikalen Phantasien hingibt und Schule zum politischen Kampfplatz macht.

Kurz vor der Europa-Wahl und nach den demaskierenden Veröffentlichungen durch CORRECTIV sowie den Enthüllungen um die Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, scheint der rechtsradikale Ratinger Ratsherr Bernd Ulrich nun endgültig die Maske fallen und die offen antidemokratische Fratze ans Licht zu lassen. In einer ganzen Kette von Veröffentlichungen und Statements haut Ulrich ein Ding nach dem anderen raus, was einem als Bürger ernsthaft am Geistes- und Gemütszustand des besagten Herrn zweifeln lässt. Ein Drama in (bisher) 5 Akten!

Akt 1 – Die Exposition: Bildung und AfD – ein Oxymoron

Am 13. März lud die AfD Fraktion in Ratingen zu einem besonderen Abend ein – es sollte um das Thema Bildung gehen. Bildung und AfD – an sich ein Oxymoron, aber ein durchaus interessantes Thema, da Rechtsextreme, Völkisch-Nationale und Identitäre ganz offen darüber sprechen, wie man junge Menschen gezielt durch Social Media erreichen und manipulieren kann. Interessant vor allem deswegen, weil der Täter AfD sich natürlich immer selber in der Opfer-Rolle sieht – eine absurde Verdrehung der Tatsachen, die vielen rechtsextremen Marktschreiern gemein ist und unter dem Stichwort „Das wird man wohl noch sagen dürfen“ oder auch als Gender-Paradoxon ( „Ich lasse mir nicht vorzuschreiben wie ich zu reden habe und verbiete daher Gendern“) bekannt ist. Wahrscheinlich hat auch Herr Ulrich die Opfer-Hotline 116 006 des weißen Ring auf Speed-Dial…

In der Nachberichterstattung zu besagter Veranstaltung auf der Website des AfD Stadtverband Ratingen lässt sich Herr Ulrich freudig über den „Überraschungsjoker“ der Veranstaltung aus:

Unser Gymnasiast erzählte schier Unglaubliches aus der Unterrichtspraxis: Etwa wie von Linksgrün abweichende Meinungen radikal sanktioniert werden, bis hin zur Drohung mit der Psychiatrie. Da mussten alle, auch unsere beiden Referenten, erst einmal verschnaufen. Wir ahnten, dass es nicht gut steht um die politische Ausgewogenheit im schulischen Alltag. Aber das übertraf die schlimmsten Erwartungen.

Bernd Ulrich – https://afd-ratingen.com/13-maerz-bildung-in-ratingen

Herr Ulrich scheint mit seiner Ahnung richtig gelegen zu haben, denn ganz offensichtlich stand es nicht gut um die politische Ausgewogenheit des Pimpfs, der da die anwesende Cis-Männer Riege in Aufruhr versetze.

Akt 2: Kleine Anfragen und kleine Gehirne

Am 22.04.2024 nun stellen die Abgeordneten Sven W. Tritschler und Dr. Christian Blex der AfD im Landtag Nordrhein-Westfalen die Kleine Anfrage 3734 – auf der Website der AfD Ratingen zu finden mit dem Hashtag #INDOKTRINATION.

In der üblichen dif­fa­ma­to­rischen Einleitung für eine AfD-Veröffentlichung, wird zunächst einmal behauptet, dass die bundesweiten Demonstrationen und Aktionen gegen Rechts im Anschluss an die CORRECTIV Veröffentlichungen „überwiegend aus dem linken bis linksextremen Milieu“ stammen – was sicher die Kirchen, Sozialverbände und die zahlreichen Arbeitgeber und CEOs, die sich in der Folge deutlich zur Gefahr für unser Land durch die AfD geäußer haben, nachdenklich stimmen wird. Reinhold Würth ein Linksextremer?

Als dann geht es zur Sache: Es wird das altehrwürdige, örtliche Carl Friedrich von Weizsäcker-Gymnasium in die Schusslinie gezogen, das ganz offensichtlich (nach Vorstellung der AfD) gegen das Neutralitätsverbot verstoßen hat! Gibt es doch einen Instagram Account der Schule, der unter anderem linksextremen und antidemokratischen Organisation wie „der so genannten Amadeu Antonio Stiftung, einem Account mit dem Namen „nein.zur.afd“ sowie 3 Accounts der SPD und der Jusos“ folgt.

Schande!

Allerdings lässt die Anfrage vermuten, dass es um die Medienkompetenz der anfragenen Abgeordneten nicht gut gestellt ist. Offenbar ein besonders krasser Fall von Bildungsversagen, ist doch eine der wichtigen Aufgaben von Schule heutzutage, Schüler:innen den kritischen Umgang mit Medien zu vermitteln! Heutige Schüler:inenn hätten sicherlich mit einem Blick gesehen, dass es sich bei dem vermeintlichen offiziellen Account der Schule in Wahrheit um den Instagram Account der Schülervertretung des Carl Friedrich von Weizsäcker-Gymnasium handelt. Das lässt wiederum naheliegen, dass die Lehrkräfte des CFvW ihrem Bildungsauftrag in vorbildlicher Weise nachkommen und mündige und kritische Staatsbürger:innen ausbilden!

Und auch wenn die BASS im SV-Erlass regelt, dass die SV sich nicht „zugunsten oder zuungunsten einer politischen Partei“ aussprechen oder betätigen darf, so ist a. das Folgen von demokratischen Institutionen und Parteien in unserem Land noch kein Verbrechen und b. nicht vorgeschrieben, dass man als SV verpflichtend rechtsextremen Organisationen wie der AfD folgen muss.

Besagte „„Posts“ und „Storys““ konnte ich übrigens auf dem Account nicht finden und bitte um Zusendung besagter Screenshots, um mir selber ein Bild zu machen.

Interessanterweise aber haben die AfD Abgeordneten ihre Opferrolle schon derart internalisiert, dass sie aus dem geteilten Aufruf der Ratinger BLUNA CONNECTION zur Demo gegen Rechts am 27.01. mit dem Titel „Wir zeigen Nazis die rote Karte“ lesen, dass es sich um eine „Demonstration „Gegen die AFD““ handelt. Oder sieht man die AfD inzwischen selber als Nazis an?

Wie immer bei Hetzanfragen der AfD verbirgt sich dann hinter den Fragen der Anfrage der Kern der Hetze.

3. An wen können sich Schüler bzw. Eltern wenden, die durch Schulleitungen und
Lehrkräfte entgegen dem Beutelsbacher Konsens und anderer vergleichbarer
Regelungen beeinflusst werden?

4. Was unternimmt die Landesregierung, um Schüler vor widerrechtlicher Beeinflussung durch Lehrkräfte und Schulleitungen zur schützen?

Kleine Anfrage der AfD im Landtag https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-9001.pdf

Akt 3: Kleine Pimmel und große Lügner

Die AfD Ratingen hat also ganz offensichtlich das örtliche Carl Friedrich von Weizsäcker Gymnasium als Schauplatz skandalöser Vorgänge und als Battleground für den rechten Kampf um die Köpfe ausgemacht. Zumindest lässt dies der am 14.Mai auf der Homepage der AfD Ratingen veröffentlichte Brief an den Bürgermeister der Stadt Ratingen mit dem schönen Titel „Schüler in Bedrägnis“ vermuten.

Es kann nun vermutet werden, dass ein Zusammenhang besteht zwischem dem Auftreten des „Überraschungsjoker(s)“ im ersten Akt und der kleinen Anfrage der AfD-Fraktion im zweiten, so dass naheliegt, dass hier ein Schüler in geistiger Bedrängnis – wie es der Titel vermuten lässt – Rapport an den Gauleiter – pardon! – Vorsitzenden der AfD Ratingen über einen ganz und gar unglaublichen Vorgang gegeben hat: Am 14. Mai war ganz offensichtlich eine bewaffnete Gruppe von Omas gewaltsam in das Lehrerzimmer und das Büro der Direktorin eingedrungen und hatte lautstark die Auslieferung rechtsextremer Schüler:innen verlangt. So zumindest scheint es sich in der Gedankenwelt des Berichterstatters zugetragen zu haben.

Entgegen den dreisten Lügen, die Herr Ulrich in seinem Brief verbreitet, hatte sich die Wahrheit aber ganz anders abgespielt: Die Omas gegen Rechts – eine bekannte und geschätzte Gruppe Ratinger Seniorinnen – hatte vor der Schule Schüler:innen zur Europawahl angesprochen und über die Gefahren des Rechtspopulismus im Allgemeinen und der AfD im Besonderen informiert. Die Gespräche waren ausgesprochen freundlich und die Schüler:innen des CFvW waren insgesamt sehr interessiert. Die Omas haben weder Schüler:innen „in besonders hartnäckiger Weise bedrängt“ noch erklärt „Die AfD will euch ausrotten„. Wahrscheinlich hat aber der Zuträger die Motivkarte der Ratinger BLUNA CONNECTION mit dem Slogan „Die AfD findet dich nicht Deutsch genug“ in die falsche Hirnwindung bekommen.

Auch mit zwei Lehrerinnen wurden freundliche Gespräche geführt. Vor dem Ende der Pause kam dann die Schulleiterin, Frau El Sherif, OStD’, auf die Omas zu und bedeutete ihnen, dass entgegen dem Verständnis der Omas der über den Schulhof führende öffentliche Karl-Mücher-Weg zur Zeit wegen Baumaßnahmen zum Schulgelände gehört und die Omas deswegen ihre Aktion an anderer Stelle vor dem Schulgelände fortsetzen müssten. Das Gespräch war ausgesprochen freundlich, Frau El Sherif nahm von den Omas noch dankend Material entgegen und die Omas haben natürlich dem Hinweis der Schulleiterin Folge geleistet.

In ihrer Stellungnahme an den Bürgermeister der Stadt Ratingen legen die Omas dar, dass Herr Ulrich lügt, wenn er behauptet, die Omas seien in das Lehrerzimmer oder das Büro der Direktorin eingedrungen. Eine rechtliche Prüfung behalten sich die Omas ausdrücklich vor.

Eine Unverschämtheit in besonderer Weise und auch ein Ausweis der vollkommenen Kenntnislosigkeit von schulischen Prozessen stellt jedoch Herrn Ulrichs Frage dar, ob „traumatisierte Kinder (…) schulpsychologisch behandelt“ wurden. Der Schulpsychologische Dienst kommt bei schwersten Problemen von Kindern und Jugendlichen und sollte nicht von Rechtsextremen und unanständigen Politikern für deren Hetze instrumentalisiert werden!

Interessant ist neben der eigentlichen Causa aber auch, wie sehr sich der alte, vom Gram gezeichnete Cis-Mann Ulrich an den meist gleichalten Omas abarbeiten muss. Da scheint etwas grundsätzlich psychologisch in die Hose gegangen zu sein.

Zur Kampagne gegen das Carl Friedrich von Weizsäcker-Gymnasium passt dann auch, dass Ulrich auf der Website der AfD einen Beitrag auf eine ominöse Instagram-Seite Schüler für Freiheit 😂 verlinkt, die sich in einem Audiobeitrag über „Gutmenschen Demagogen“ und „woke Einflussnahme“ aufregen. So sieht die wohl die „Beeinflussung durch Lehrkräfte und Schulleitungen“ aus…

1 Man kann sich da leider nicht so sicher sein, da die AfD Ratingen ja die Verwendung geschlechtergerechter Sprache entgegen linksgrüner Unterdrückung rundheraus ablehnt…

2 Der Tag der Heiligen Corona – wenn das kein Zeichen für eine umfassende linksgrün-christliche Verschwörung ist!

Akt 4: Briefe von Bernd: Alternative Ansichten aus der Ratinger Toiletten Unterwelt

Nachdem die Ratinger Opfer-AfD sich nun ausgiebig echauviert hatte, wurde es Zeit zum Gegenschlag gegen das linksgrüne Establishment auszuholen. Gesagt getan: Man organisierte sich flugs die Anschriften von knapp 4.000 Erstwähler:innen in Ratingen, um sie mit folgendem Pamphlet „in besonders hartnäckiger Weise“ zu bedrängen:

Entgegen der mit Photoshop und KI geschönten Darstellung des Briefes auf der Website der AfD Ratingen, hat es beim Massenausdruck dann wohl nicht so ganz geklappt mit der Darstellung – aber das nur am Rande angemerkt.

Der Inhalt es Briefes lässt sich an Dummheit eigentlich kaum überbieten und liest sich wie ein willkürliches Sammelsurium der rechten Szene und gipfelt darin, dass man die Schüler:innen auffordert „einfach mal (zu) hinterfragen, was der Lehrer oder die Tagesschau so von sich geben. 😉“ – eine ganz unverholene Unterstellung gegenüber Lehrkräften und die übliche Hetze von Rechtsextremen gegen die öffentlich-rechtlichen Medien.

Zu Recht sorgte dieser Brief für einige Aufregung u.a. bei der GEW und wurde sowohl im WDR als auch in der WAZ, der RP und dem Online-Portal Der Westen ausführlich behandelt.

Leider wurde insbesondere in der Rheinischen Post Herrn Ulrich viel Raum für eine verharmlosende Rechtfertigung eingeräumt, die in keine Weise dem Gesamtkontext der rechtsextremen und antidemokratische Hetze der AfD Ratingen gerecht wird. So behauptet Ulrich dort „Es sei geradezu die Verpflichtung der Schulen ihren Zöglingen die Fähigkeit zu vermitteln, Dinge und Behauptungen kritisch zu hinterfragen“ – eine ziemlich freche Aussage, wenn man sieht, wie es die AfD ansonsten mit dem kritischen Hinterfragen hält.

Herr Ulrich selber feiert sich ob der Masse an Aufmerksamkeit in einem jüngst auf der Website der AfD Ratingen erschienen Beitrag mit dem Titel „Unsere Briefaktion: Alles richtig gemacht!“ für seine Hetzkampagne. Interessant dabei vor allem, dass er die Einordnung „einer Frau Ayla Celik, einer angeblichen „Expertin““ der „extrem linkslastig(en)“ GEW, die AfD sei hier „Wolf im Schafspelz“, als Kompliment nimmt. Aber nein, Herrn Ulrich bezieht sich hier sicher nicht auf den berüchtigten Goebbels „Wolf-oder-Schaf-Vergleich“, der schon vom Faschisten Höcke bemüht wurde. Oder doch ein Blick hinter die bürgerliche Maske?

Akt 5 – Die Katastrophe: Wahlbetrug!

Kommen wir zum 5.Akt – der Katastrophe: In einem internen Schreiben, das mir von einem Informanten in der AfD Ratingen zugespielt wurde 😂, fordert Herr Ulrich die Sympathisanten der AfD auf „Wahlbetrug zu verhindern„.

Dem Schreiben beigefügt ist eine entsprechende Broschüre der AfD, die ein wenig konzilianter daherkommt, als der interne Schriftverkehr der AfD.

Nur gut, dass Bernd und Karla (hier im „Klartext“ auf der Instagram-Seite der AfD Ratingen – offenbar in einer Art Gefangenkleidung) das schlimmste verhindern werden! Zustände wie in Amerika, wird es hier erst garnicht geben!

Zusammenfassung: Wäre das alles nicht so traurig…

…so könnte man über diese Comedy-Truppe eigentlich nur laut lachen und den Kopf schütteln. Leider sitzen diese Typen in unseren Parlamenten, fressen sich auf unsere Kosten durch (oder schwadronieren über echte Männer) und bekommen bei Wahlen einen Zuspruch durch Wähler:innen, dass einem Angst und Bange wird und man sich fragt, ob ein Teil unserer Bevölkerung nichts aus der Geschichte gelernt hat.

Es gibt einen breite Einstellung (gerade auch in der lokalen Politik in Ratingen), dass man Typen wie einem Bernd Ulrich keine Plattform bieten sollte und ihn nicht noch wichtiger machen sollte. Aber genau diese Strategie hat dazu geführt, dass die AfD in den letzten Jahren von einer belächelten Randerscheinung zu einer Gefahr für unsere Demokratie geworden ist.

Man muss es ganz klar formulieren: Ulrich ist das Paradebeispiel eines Rechtsradikalen, der sich selber als „bürgerlich“ und „Mitte der Gesellschaft“ wahrnimmt, aber lauthals dabei ist unsere Gesellschaft und unsere Grundwerte an jeder Stelle verächtlich zu machen und zu zerstören.

Die Menge dieser Schreihälse, Hetzer und Krakeeler hat dazu geführt, dass inzwischen rechtsextremes Gedankengut Einzug in die Mitte der Gesellschaft gehalten hat: Die vielbeachtete „Scheissumfrage“ des WDR, in der 21 Prozent der Befragtensich mehr „weiße“ Spieler in der deutschen Nationalmannschaft wünschen und 17 Prozent der Befragten angegeben, dass sie es „schade“ fänden, dass der DFB-Kapitän türkische Wurzeln habe, lässt an Klarheit nichts vermissen.

An Klarheit vermissen lässt aber die Reaktion vieler etablierten Parteien auf die rassistischen, menschenverachtenden und antidemokratischen Ausfälle der AfD – auch hier lokal in Ratingen. Ein klares und eindeutiges Signal gegen die rechtsextreme AfD und Hetze, wie hier z.B. von der AfD Ratingen vorexerziert, ist leider viel zu selten. Stattdessen hält der Sound der AfD Einzug in Parteitagsreden und Interviews, wenn z.B. Friedrich Merz über „kleine Paschas“ oder Zahnarzttermine schwadroniert. Hier müssen insbesondere die konservativen Parteien ihrer Verantwortung gerecht werden und dafür Sorge tragen, dass sich Geschichte nicht wiederholt.

Wehret den den Anfängen!