Ein Rant auf die deutsche Automobilindustrie
Nach dem überraschend starken und ausgewogenen Konjunkturpaket der Bundesregierung muss sich nun die SPD Vorwürfe von Seiten der Gewerkschaft gefallen lassen, weil sie wohl eine Abwrack- bzw. Neuwagenprämie für die Automobilindustrie verhindert hat.
MAN-Konzernbetriebsratschef Staku Stimoniaris wird mit der Aussage zitiert, dass sich die SPD Spitze fragen sollte, ob sie noch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertritt.
Angesichts soviel Dreistigkeit muss man die Gewerkschafter zurückfragen, ob sie noch ernsthaft die Interessen ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten? Oder ob sie – eingepackt in gut bezahlte Aufsichtsrats- und Gewerkschaftsposten – inzwischen lieber zur Klasse der Vollversager der deutschen Industrie halten, die seit Jahren auf dem weltweit technisch und wirtschaftlich höchstem Niveau jammern, aber in Wahrheit nichts hinbekommen.
Die Automobilindustrie hat viel für unser Land getan. Jahrzehntelang war der Automobilbau neben dem Maschinen- und Anlagenbau einer der Treiber der deutschen Wirtschaft. Deutsche Automobilingenieure waren (und sind) weltweit hochgeachtet und ein wesentlicher Grund für den exzellenten Ruf der deutschen Ingenieurskunst.
Noch immer ist die Automobilbranche mit einer riesigen Zulieferindustrie einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Der Mythos jedoch, dass jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland vom Auto abhängt, ist schon lange als Unsinn entlarvt worden. In Deutschland sind Stand heute wahrscheinlich ca. 850.000 Menschen irgendwie in der Automobilindustrie beschäftigt. Das sind natürlich trotzdem eine Menge Arbeitsplätze und daher macht uns diese Branche auch massive Sorgen.
Aber vor allem macht uns diese Branche deswegen Sorgen, weil ihre Manager und Vorstände es seit Jahrzehnten unterlassen, ihre Unternehmen zukunftsorientiert auszurichten.
Elektromobilität? Fehlanzeige. Tesla, Hyundai und andere teilen den Markt inzwischen unter sich auf. Wasserstofftechnologie? Langes Rumgelaber über die Mega-Zukunftstechnologie. Inzwischen mehr oder weniger beerdigt. Hyunda, Honda und Toyota haben derweil Modelle am Markt. Fahrassistenzsysteme? Inzwischen benutzen die meisten Menschen lieber ihr iPhone als die komplizierte Technik ihrer Automobile. Ein Tesla-Verkäufer hat sich mir gegenüber einmal kringelig gelacht, als er mir das 17“ Display des Modell S erklärte mit dem Hinweis, dass Daimler in der S-Klasse gerade stolz das 5“ Display eingeführt habe.
Andere Idee? Kopfschütteln. Ah nee – wir haben den Diesel wieder einmal neu erfunden. Und nochmal 50 PS auf unser 450 PS Top-SUV aufgelegt.
Die beste Idee, die unsere Automobilmanagern in den vergangenen zwei Jahrzehnten gekommen ist, war es, die Abgaswerte ihrer überdimensioinierten Verbrennungsmotoren über ein geschicktes Softwaremanagement zu faken.
Noch 2015 hat der so gefeierte Daimler CEO Zetsche in einem Interview mit der Welt am Sonntag gesagt „…wir haben lange Erfahrung im Automobilbau, wir haben das Auto erfunden. Und Erfahrung ist in einem so komplexen Geschäft wie dem Automobilbau mit entscheidend. Wer dort neu einsteigt, hat die nicht.“
Man fragt sich ernsthaft, wie jemand mit so wenig Grips CEO einer deutschen Automobil-Ikone werden konnte? Wäre der Mann in meinem Unternehmen angestellt gewesen, hätte ich ihn achtkantig gefeuert.
2020: Die deutsche Industrie liefert das nächste Vollversagen und stellt den gefeierten Streetscooter ein – niemand aus der Automobile-Industrie findet sich, der dieses Fahrzeug weiter unterstützen möchte.
Die besten Ingenieure kommen inzwischen nicht mehr aus Deutschland, sondern aus China oder den USA. Die deutschen Top-Experten sind inzwischen abgewandert – zu vielversprechenden Startups, zu den Googles und Apples und natürlich zum großen Herausforderer Tesla. Menschen wie Sebastian Thrun arbeiten lieber für Gewinner, als für Verlierer.
Schon heute ist Tesla an den Börsen annähernd gleich viel wert wie BMW, Daimler und VW zusammen. Und Apple könnte sich die drei deutschen Automobilstars aus den Barrücklagen leisten und hätte immer noch genug Geld für weitere Späße übrig.
Und die deutsche Automobilindustrie? Schreit nach Abwrackprämien.
Elon Musk hat gleichzeitig – wie zum Hohn – seine Rakete zur ISS geschossen. Auch das ein Kapitel, in dem sich das Daimler-Management nicht mit Ruhm bekleckert hat.
Welche Schande für unser Land, für die deutsche Ingenieurskunst und welche Demütigung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die seit Jahren jeder Re-, Um- und Neustrukturierung geduldig mittragen, Lohnverzicht üben und jede noch so blöde Idee des Managements unterstützen. Und während die Chefs mit ihren Millionenboni in ihren Fincas auf Mallorca immer noch glauben, dass sie echt super Manager sind, werden die normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Jobcenter Schlange stehen.
Die freie Marktwirtschaft, die gerade von unseren Industrievertretern gerne hochgehalten wird, wenn es um Vertragsfreiheit, Gehälter und Boni geht, diese Marktwirtschaft ist kein Candy-Land zum Aussuchen. Der Markt, der angeblich alles regelt, wird auch die deutsche Automobilindustrie regeln, wenn sie sich nicht anpasst. Unternehmen, die Managern Millionen zahlen aber den Anschluss an den Markt verlieren, sind überflüssig und werden (müssen!) vom Markt verschwinden.
Gewerkschaften, die lieber Solidarität mit den Vorständen zeigen und deren einzige Idee es ist, nach Staatshilfen zu rufen, verraten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sie vertreten, und werden genauso vom Markt verschwinden wie die Konzerne.
Jeder Gewerkschafter, der sich ernsthaft Sorgen um die Arbeitsplätze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer macht, wäre gut daran beraten, den Vorständen und Managern der Unternehmen täglich in den Allerwertesten zu treten und endlich die viel zu lange überfällige und notwendige Transformation des deutschen Automobilbaus einzufordern.
Derweil in München: Drei junge Studenten haben inzwischen 13.000 Vorbestellungen für ihr E-Auto Sion bekommen, dessen Entwicklung sie überwiegend über Crowdfunding finanziert haben. Und wie es aussieht, haben sie auch 50 Millionen Kapital eingesammelt (ein Witz für ein amerikanisches Startup!), um endlich in die Produktion zu gehen. Soviel zur Analysekompetenz des Herrn Zetsche.
Lassen wir Daimler endlich in Ruhe sterben und investieren wir unsere Steuergelder lieber in Zukunftsbranchen und junge innovative Unternehmen wie Sion.
Und Hut ab vor der SPD-Führung, dass sie die Abwrackprämien verhindert hat. Es gibt Menschen und Unternehmen, die unser Steuergeld besser gebrauchen können.
Kommentare von christoph